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Rechtschreibregeln

In etlichen Übungsbüchern findet man Rechtschreibregeln, die wenig hilfreich sind. Manche sind unsinnig oder sogar falsch. Im Folgenden werden zunächst Regeln aufgeführt, auf die man besser verzichten sollte. Anschließend werden eingeschränkt sinnvolle und dann uneingeschränkt sinnvolle Regeln dargestellt.

1. Sinnlose Rechtschreibregeln

Oft wird folgende Regel angeführt: Das h zwischen zwei Selbstlauten kann man hören, z.B. blühen, sehen, Nähe. Diese Regel ist schlicht falsch. Man spricht z.B. nicht /blühen/, sondern /blüen/.

Eine weitere Regel lautet: Das Dehnungs-h steht oft vor den Mitlauten l, m, n oder r, z.B. Wahl, nehmen, sehr. Die Regel besagt, dass es zwei Gruppen von Wörtern gibt, nämlich solche, bei denen das Dehnungs-h vor den Mitlauten l, m, n oder r steht und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Weil die Regel nicht aussagt, zu welcher der beiden Gruppen ein jeweiliges Wort gehört, ist sie sinnlos.

Oft findet man auch folgende Regel: Hinter l, m, n, r steht nie tz und nie ck. Die Regel ist wenig hilfreich, weil sie den positiven Fall nicht benennt, nämlich unter welcher Bedingung tz bzw. ck zu schreiben ist.

Sehr beliebt ist auch folgende Regel: Vor t steht immer nur s. Auch diese Regel ist falsch, z.B. bei den Wörtern (er) wünscht, enttäuscht, (sie) wäscht. Richtig muss die Regel lauten: Wenn man am Silbenanfang /schp/ spricht, schreibt man sp, und wenn man am Silbenanfang /scht/ spricht, schreibt man st.

Eine weitere Regel besagt: Bei Wörtern mit pf hilft am besten deutliches Sprechen, z.B. Pflaume, pfeifen. Um die Sinnlosigkeit dieser Regel zu erkennen, muss man wissen, dass in Norddeutschland bei Silben mit beginnendem pf das p nicht gesprochen wird, z.B. /feifen/ statt pfeifen. Demgegenüber wird in Süddeutschland das p im pf auch gesprochen. Daraus folgt: In Norddeutschland hilft die Regel den Schülern nicht weiter und in Süddeutschland ist sie überflüssig.

Eine weit verbreitete Rechtschreibregel lautet: Das lange i wird oft ie geschrieben. Diese Regel ist in zweierlei Hinsicht fragwürdig. Sie besagt wiederum, dass es zwei Gruppen von Wörtern gibt, nämlich solche mit langem i, die ie geschrieben werden und solche mit ebenfalls langem i, die nicht ie geschrieben werden. Weil die Regel nicht aussagt, zu welcher der beiden Gruppen ein Wort mit langem i gehört, ist sie sinnlos.

Das zweite Problem bei der Schreibung von ie besteht darin, dass viele Schüler lange und kurze Vokale nicht voneinander unterscheiden können. Wie eine Studie1 zeigt, trifft das vor allem auf Schüler zu, die sich mit dem Rechtschreiben schwertun.

Um mit Regeln zu arbeiten, die auf der Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen basieren, müsste man mit schwachen Rechtschreibern zuvor ein umfangreiches Training zum Erkennen der Vokallänge durchführen. Es gibt bisher jedoch keinen Nachweis, ob ein solches Unternehmen auch von Erfolg gekrönt ist. Vielmehr ist in einer Studie2 der Versuch gescheitert, rechtschreibschwachen Schülern die Vokallängenunterscheidung beizubringen.

Es ist also sinnvoll, alle Regeln zu vermeiden, die auf der Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen basieren.

Das gilt auch für die Regel zur Konsonantenverdopplung. Sie lautet: Nach einem kurzen Vokal wird der folgende Konsonant oft verdoppelt, z.B. dünn, bellen. Zu dieser Regel gibt es zudem mehr Ausnahmen als regelkonforme Wörter, z.B. Saft, rund, Wald, selber, hübsch, Hunger.

2. Eingeschränkt sinnvolle Rechtschreibregeln

Eingeschränkt sinnvoll sind Regeln, wenn sie nur für bestimmte Sprachräume nützlich sind. Das gilt vor allem für die Regeln zur Schreibung der Auslautverhärtung. Im Auslaut werden die Buchstaben b, g, und d ausgesprochen wie t, k, t, z.B. gelb, Weg, rund. Das kann dazu führen, das die einschlägigen Wörter so geschrieben werden wie man sie spricht, z.B. "gelp, Wek, runt".

Zur Vermeidung dieser Fehler kann folgende Regel verwendet werden: Wenn man die Wörter umformt, kann man hören wie sie geschrieben werden, z.B. gelb - gelbe, Weg - Wege, rund - runde.

Eingeschränkt sinnvoll ist die Regel wegen der süddeutschen Konsonantenerweichung. In Süddeutschland wird das t am Silbenanfang wie ein d gesprochen, z.B. /dreiben/ statt /treiben/. Bei der Umformung zur Anwendung der Regel kommt es dann zu falschen Ergebnissen, z.B. /bunt/ - /bunde/. Es empfiehlt sich also, in Süddeutschland auf diese Regel zu verzichten. Oder aber man lässt die Schüler die Wörter bei der Umformung übertrieben deutlich aussprechen. Dabei kann sich die Sprechweise möglicherweise im Gedächtnis abspeichern.

Ein ähnliches Problem ergibt sich bei der Schreibung des auslautendes S, z.B. Hals, (er) reist. Das auslautende S wird stimmlos gesprochen (wie ein ß oder ein Z) Man kann die Schreibung herausfinden, indem man die Wörter so umformt, dass das s stimmhaft gesprochen wird, z.B. Hälse, reisen.

Die eingeschränkte Gültigkeit ergibt sich daraus, dass es im süddeutschen Sprachraum kein stimmhaftes S gibt. So werden z.B. die Wörter reisen und reißen gleich ausgesprochen.

Allerding bedeutet ein Verzicht auf die Regel zum auslautenden S keinen großen Verlust. Denn es gibt nur relativ wenig einschlägige Wörter.

3. Uneingeschränkt sinnvolle Rechtschreibregeln

Generell gilt: Eine Rechtschreibregel ist umso wertvoller, je mehr einschlägige Wörter es für sie gibt und je weniger Ausnahmen sie zulässt. Regeln ohne jegliche Ausnahmen sind ausgesprochen selten.

Die wichtigste sinnvolle Regel bezieht sich auf die Groß- und Kleinschreibung. Diese Fehlerkategorie deckt etwa 25 Prozent aller Rechtschreibfehler ab. Die Großschreibung kann man durch die bekannte Artikelprobe ermitteln: Ein Wort schreibt man groß, wenn der, die oder das davor setzen kann.

Eine sinnvolle Regel lautet: Am Silbenanfang spricht man /schp/ bzw. /scht/, aber man schreibt sp bzw. st, z.B. springen, stark.

Eine weitere Regel heißt: Die Vorsilbe ver schreibt man mit v. Beispiele: vergessen, verbrauchen. Zu der Regel gibt es vier scheinbare Ausnahmen: fertig, Ferkel, Ferne und Ferse. Es sind nur scheinbare Ausnahmen, weil es sich nicht um echte Vorsilben handelt, was die Schüler in der Regel aber nicht erkennen. In der Grundschule sollte man als einzige Ausnahmen das Wort fertig erwähnen. Denn die übrigen drei Wörter kommen nur sehr selten vor.

Ähnlich lautet die Regel zur Vorsilbe vor. Man schreibt sie mit v. Die Regel ist sinnvoll. Aber es gibt relativ wenig einschlägige Wörter.

Eine weitere Regel besagt: Die Laute /kw/ schreibt man am Silbenanfang qu, z.B. quer, Quark. Zu dieser Regel gibt es keine Ausnahmen. Allerdings ist die Zahl der einschlägigen Wörter nicht sehr groß.

Eine andere Regel lautet: Man schreibt die Silbe end mit d, wenn man sie von dem Wort Ende ableiten kann, z.B. endlich, endgültig. Diese Regel ist sinnvoll. Allerdings fällt den Schülern die Ableitung oft schwer. Zudem gibt es nicht viele einschlägige Wörter.

Eine weitere sinnvolle Regel besagt: Wenn man ein Wort von einem Wort mit a oder mit au ableiten kann, schreibt man es mit "ä" oder mit "äu". Beispiele: Jäger kommt von jagen, läuten kommt von laut. Allerdings gibt es einige Wörter, die nicht ableitbar sind, z.B. Bär, Käse, sägen. Die Zahl dieser Wörter ist aber gering. Außerdem gibt es einige wenige Ausnahmen. So könnte man z.B. das Wort nehmen von dem Wort nahm ableiten. Jedoch kommen die wenigsten Menschen darauf. Deswegen sollte man nur darauf eingehen, wenn ein Schüler danach fragt. Trotz dieser beiden letztlich kleinen Probleme ist die Regel hilfreich.

Ein besonders häufiges Problem betrifft die Schreibung von das/dass. Allein darauf entfallen ca. 10% aller Falschschreibungen. Allerdings wird die korrekte Schreibung von das/dass üblicherweise erst in der Sekundarstufe verlangt. Eine sinnvolle Regel lautet dann: Man schreibt das mit s, wenn man dieses oder welches dafür einsetzen kann.

Wie man Regeln mit mündlichen Übungen am besten trainieren kann, ist auf der Seite Rechtschreibförderung dargestellt.

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1 Landerl, Karin (2003). Categorisation of vowel length in German poor spellers: an orthographically relevant phonological distinction. Applied Psycholinguistics, 24, 523-538.

2 Berger, N. (2010). Mehr als nur ein Wort. München: Herbert Utz Verlag